VORWORT ZUM ROMAN "SCHWARZE ASCHE AUF KIRSCHBLÜTEN"

 

VORWORT

ODER GEBRAUCHSANLEITUNG FÜR DAS LESEN DIESES BUCHES

 

 

Liebe Leserin, lieber Leser,

 

ich selbst lese leidenschaftlich gern und viel, sei es Fachliteratur oder vor allem Literatur aus asiatischen Ländern. Manchmal hätte ich mir bei dem einen oder anderen Buch eine Anweisung für das Lesen gewünscht. Nicht immer ist einem die Geschichte eines Landes so vertraut, dass man ohne Schwierigkeiten den Inhalt eines jeden Buches verstehen kann.

Daher habe ich mich entschlossen, diesem Buch eine Anleitung voran zu setzen, die es an der einen oder anderen Stelle erleichtert, den Inhalt dieses Buches zu verstehen.

Fest steht, ich liebe dieses Land und fühle mich dort zu Hause. Mein Herz schlägt jeden Tag für dieses Land und meine Gedanken begleiten alles, was ich tue aus japanischer Sicht. Ich musste mir von meinen japanischen Freunden schon öfter sagen lassen, ich sei japanischer als sie selbst.

 

Der Ausspruch zu dem Land Japan: ENTWEDER MAN LIEBT ES ODER MAN HASST ES, kommt nicht von ungefähr.

Japan hat eine sehr interessante und wechselvolle Geschichte, die für uns Europäer oft schwer nachvollziehbar ist, weil wir grundsätzlich verschiedene Ansichten zum Leben und Sterben haben und von den Dingen, die sich dazwischen abspielen.

Das Land hat 100 Jahre lang Krieg erlebt, aber auch 500 Jahre Frieden in Abgeschiedenheit von der Welt.

Es gab eine Zeit um und im zweiten Weltkrieg, den die meisten Japaner heute bereuen und im Ergebnis dessen alles tun, um eine solche politische Entwicklung nicht wieder zuzulassen.

 

Ich habe bei meinen vielen Reisen, die mich quer durch das Land geführt haben, friedliebende und naturverbundene Menschen kennen gelernt. Sie sind tief in ihren Traditionen verwurzelt, haben eine überaus enge familiäre Bindung und ein grundsätzlich anderes Verständnis zum Thema Gemeinschaft. In einem Land, in dem es ein eigenes Wort für das Verhalten im Falle von Naturkatastrophen gibt, BOSAI, kann man nicht anders existieren, als alles in der Gemeinschaft zu tun. Täglich gibt es große und kleine Naturkatastrophen. Während uns als Europäer die Haare zu Berge stehen, weil ein Vulkan ausgebrochen ist, das Land unter Wasser steht oder uns ein Erdbeben richtig durchschüttelt, zuckt der Japaner mit den Schultern und sagt: „Die Götter hatten mal wieder schlechte Laune, was soll es.“

 

Japan lebt von und mit seinen Göttern. Der Shintôismus, der im einfachen Volk stark verwurzelt ist, geht davon aus, dass aber auch alles, was den Japaner umgibt einen KAMI beinhaltet. Kami sind Götter und jeder Japaner, der sein Leben gelebt hat, und sich ins YOMI, die Unterwelt, zurückzieht, wird zu einem Kami. Die Japanische Mythologie ist voller Götter, kleinen Wesen, die die Natur verkörpern, boshaften, zu Lebzeiten nicht verstanden Personen, die als ONI ihr Unwesen treiben oder den AKUMA, den Generälen der Unterwelt. Das Volk hat sich am abendlichen Feuer Geschichten, Märchen, Sagen und Legenden erzählt, die so kraftvoll in ihrer Aussage sind, dass sie einen hohen Grad an erzieherischem Wert haben.

 

Ich werde oft gefragt: „Wo kommt deine Liebe zu Japan her?“, und da muss ich leider sagen, sie kommt nicht her, sondern sie war schon immer da. Vielleicht habe ich asiatische Wurzeln, ich habe es nicht wirklich überprüft.

 

Dieser Roman besteht aus drei Säulen. Die eine beschäftigt sich mit den historischen Hintergründen, die sich vorwiegend auf die Muromachi- Zeit (1336 - 1573) oder Muromachi- jidai bezieht. Die Muromachi- Zeit zeigte vor allem in der letzten Phase den starken Zerfall der Gesellschaft, und weil dieser Zeitabschnitt wirklich kompliziert und vielschichtig ist, traut sich kaum ein Schriftsteller daran, dies in künstlerische Sätze zu kleiden. Ich habe mir die Jacke angezogen und sie kneift an manchen Stellen, muss ich zugeben. Hätte ich meine japanischen Freunde aus Nagahama (Provinz Ômi) nicht gehabt, ich glaube, ich wäre sang und klanglos eingegangen. Sie sind mit einer Engelsgeduld jeder noch so blöden Frage nachgegangen und haben versucht, sie mir zu beantworten. Es wurden teils private Briefe aus dieser Zeit herausgekramt und intensiv gelesen.

 

Die zweite Säule besteht aus einer Parallelgeschichte über das Leben eines Shinobi/ Ninja. Ich selbst habe gute 10 Jahre lang Bujinkan- Ninjutsu betrieben. Ich tat es aus Leidenschaft, obwohl ich nie den schwarzen Gürtel in den Prüfungen geschafft habe. Das war aber auch nicht meine Intension, muss ich heute ehrlich zugeben. Aber diese zehn Jahre haben meine Einstellung zum Menschen wesentlich geprägt. Zu keiner Zeit habe ich mehr begriffen, wie fragil der Menschliche Körper ist, als zu dieser. Ich habe zwei sehr schwere Verletzungen aus dem Training im Direktkontakt davon getragen. Diese Verletzungen trugen wesentlich dazu bei, dass ich schmerzlich den Inhalt des Wortes GEDULD begriffen habe. Ich bin daran gewachsen und sicherlich ist der Mensch, der ich heute bin, ein Ergebnis des Kampfes für und gegen mich. Die Auseinandersetzung mit meinem Körper und Geist hat mich wesentlich geprägt.

 

Grundsätzlich sei zum Leben der Ninja zu sagen, sie waren keine Mörder und Verbrecher, sie wurden dazu gemacht. Sie stellen sehr hohe Ansprüche an ihren Körper und ihre Psyche und ebenso an ihre Moral und Ethik. Viele der Shinobi oder Ninja sind aus China eingewandert, weil sie als Rebellen gegen die Sung Dynastie kämpften und bis zur Todesstrafe verfolgt wurden. Sie brachten ihre Religion, den Daoismus mit, der in Japan nicht verstanden und deshalb bekämpft und unterdrückt wurde. Daher mussten sie sich weit in die Berge zurückziehen, was zu einer extrem naturverbundenen Lebensweise führte.

 

Die dritte Säule beschäftigt sich mit japanischer Psychologie, Philosophie und Mythologie. Einiges, was zu lesen ist, klingt auf den ersten Blick recht weit her geholt und kaum zu glauben, aber wozu unser Geist fähig ist, wird in einer Heilmethode ersichtlich, die ich in Japan kennen gelernt habe. Sie befasst sich damit, mit der Hilfe der Vorstellungskraft seinen Körper wieder auf Vordermann zu bringen.

 

Ich selbst interessiere mich sehr für den Shingon- Buddhismus. Es ist eine sehr komplizierte Form des Buddhismus, die wesentlich durch ihre Ikonographie lebt. In zahlreichen Gesprächen mit Lehrmönchen aus Tempeln des Kôyasan, Daigôji, Dewa Sanzan sowie Yoshino konnte ich interessante Aspekte lernen, die sich hier im Roman wieder finden.

 

Bereits im Vorwort habe ich mir erlaubt, eine Familienaufstellung der Familie ASHIKAGA aufzuführen, damit die vielen verwirrenden Namen und ihre Zuordnung im Roman verstanden werden können.

 

Im Glossar finden sie die japanischen Begriffe erklärt, die fett gedruckt sind. Einige Begriffe sind an manchen Stellen auch gleich im Text erläutert. Das im Text Passagen in Japanisch auftauchen oder in Chinesisch, ist dem geschuldet, dass unsere Deutsche Sprache einfach nicht wirklich den tiefen Sinn der japanischen Sprache wiedergibt. In Japan existieren für die Ansprachen untereinander unterschiedliche Höflichkeitsstufen. Aus der Sprache selbst lässt sich bereits erkennen, in welchem Verhältnis die beiden Personen zueinander stehen, die sich gerade unterhalten.

 

In Japan wird immer zuerst der Familienname genannt. Also die Personen heißen nicht alle ASHIKAGA mit dem Vornamen, sondern mit dem Familiennamen. Familiennamen sind im Roman generell in großen Lettern geschrieben. Personen, die fiktiv sind, tragen oft keinen Familiennamen. Nur den wirklich wichtigen Personen gab ich auch einen Familiennahmen. Das Personenregister unterscheidet in historische Persönlichkeiten und fiktive Personen. Einigen Personen werden wir in den Folgeteilen wieder begegnen. Und ja, damit habe ich vorweg genommen, es wird noch weitere Teile geben.

 

Zum Liebesleben der Japaner sei zu sagen, dass es eine Zeit ohne DIE EHE gab. Man fand sich zusammen, weil man sich liebte und gemeinsam Kinder gezeugt hatte, aber man trennte sich auch ebenso schnell wieder. Die Ehe in der Muromachi- Zeit ist vor allem durch das Ziel geprägt, politische Bündnisse zu schließen oder zu festigen. Das einfache Volk hat sich für derlei Dinge nicht interessiert. Der Partner war wichtig für das Überleben und ebenso die vielen Kinder. Nicht selten wurden sie nicht älter als 20 – 30 Jahre. Nur ein paar alte Haudegen haben es bis ins hohe Alter von 90 Jahren geschafft.

 

In der Muromachi- Zeit beginnt sich die Klasse der Samurai heraus zu bilden. Das Wort Samurai stammt von dem Verb „dienen“ ab und das waren die Samurai in erster Linie auch. Es wurden Loyalität, Wahrheitsliebe, Mut, Höflichkeit und  Ehre sehr groß geschrieben. Im Roman wird Herr ISE Sadachika erwähnt, der das erste Buch zum Thema Erziehung der Kinder der Samurai- Familien geschrieben hat.

 

Samurai haben das sich selbst Töten zu einem Kult entwickelt. Schlachten, Mann gegen Mann, haben immer etwas Erschreckendes. Im Roman werden einige Szenen von Schlachten beschrieben, die für den zart besaiteten Leser nicht zu ertragen sind. Es gibt auch beschriebene Vergewaltigungsszenen, die ebenfalls nur schwer zu ertragen sind.

Aber auch sehr romantische und liebenswerte Sequenzen holen den einen oder anderen vielleicht beim Lesen ab.

Der Roman trägt starke autobiographische Züge. Vieles, das im Roman beschrieben wird, hat mein Leben und mich geprägt. Leider auch die Themen  über die Vergewaltigungen. Nun ja, man kann so oder so damit umgehen. Für mich war das Schreiben durchaus therapeutisch. Die Arbeit mit dem Kuji kiri, so phantastisch es sich auch anhören mag, praktiziere ich selbst und habe es in Japan erlernt. Ich liebe es, weil sich daraus eine Möglichkeit ergibt, Dinge in einem imaginären Raum zu zerpflücken und neu zusammen zu fügen. Ich selbst bin Shingon- Reiki- Lehrerin und habe an die 60 Schüler sowie einige Lehrer ausgebildet. Das was sich wie Magie anhört, ist teilweise die Nutzung von Gehirnarealen, die man sonst immer gern unterfordert.

Noch ein Wort zu den Historikern unter Ihnen sei zu erwähnen. Die Dialoge sind allesamt frei erfunden. Ich habe mir die Freiheit herausgenommen, und man möge mir bitte diesbezüglich verzeihen, Personen miteinander interagieren lassen, damit ein Roman daraus wird und eine spannende Handlung entsteht.

Es würde mich sehr freuen, wenn das Vorwort doch etwas dazu beiträgt, das Lesen dieses Romans zu erleichtern und vielleicht auch die Japaner ein wenig zu verstehen. Ich habe sie als ein überaus humorvolles, leidenschaftliches, kluges und naturverbundenes Volk kennen gelernt.

So wünsche ich ihnen also viel Freude bei der Entdeckung einer Kultur, die vor 35.000 Jahren in der Altsteinzeit begann.

 

Herzliche Grüße

Ihre Kerstin Lucas